Zurück aus Japan und retour in den Wiener Alltag
Wenn du schon (länger) in Japan warst, dann werden dir vielleicht einige der nachstehenden Punkte bekannt vorkommen. Sie spiegeln die Unterschiede zwischen der japanischen und Wiener Kultur wider. Manch einer würde sagen: Kulturschock Japan – wenn dir viel Negatives aufgefallen ist (die Wahrscheinlichkeit dafür steigt, wenn dein Blick auf Japan durch eine rosarote Brille verzerrt ist, du dich noch nicht wirklich mit der echten japanischen Kultur auseinandergesetzt hast oder du mit Englisch und ein paar Floskeln eventuell auf Verständigungsgrenzen gestoßen bist). Oder doch Kulturschock Heimatland (nennt sich in Fachkreisen „reverse culture shock“ – umgekehrter Kulturschock), wenn du feststellst, dass in Japan doch einiges besser war, als du es von zu Hause kennst.
Und damit du während deinem Japan-Aufenthalt nicht zu sehr dem Kulturschock Japan erliegst, habe ich hier ein paar Infos für dich zusammengetragen. Mehr Infos gibt es u.a. in meinen Sprachkursen oder auch in den speziellen Reisevorbereitungskursen. Aktuelle Blogartikel teile ich auf Facebook und in meinem wöchentlichen Newsletter.
Im Flugzeug
Aber der Reihe nach. Endlich steht dein lang erwarteter Japan-Aufenthalt bevor und du betrittst nach langem Flug den heiligen Boden. Und dann wirst du feststellen, vielleicht auch schon im Flugzeug, dass da so einiges anders ist. Die japanischen Flugbegleiter sind so extrem höflich, entschuldigen sich vielmals, sollte ihnen mal ein minimaler Fehler passiert sein, sprechen mit dir, immer mit einem Lächeln auf den Lippen, das auch bis zu den Augen reicht und du fühlst dich rundum wohl und versorgt (auch wenn du vielleicht Flugreisen so gar nicht ausstehen kannst).
Ich kann mich noch erinnern, da stolperte eine Flugbegleiterin (ich weiß nicht mehr genau, wieso) und etwas Wasser spritzte auf die Bluse einer Passagierin. So eine Entschuldigungswelle, ja schon eine richtiger Tirade an すみません (sumimasen, Entschuldigung) hatte ich noch nie erlebt. Sie tupfte ganz vorsichtig die „befleckte“ Kleidung ab, entschuldigte sich wieder vielmals und verbeugte sich ganz tief, es hätte mich nicht gewundert, wenn sie 土下座 „dogeza“ gemacht hätte. Sie kam dann in kurzen Abständen noch 2 Mal vorbei, um sich nochmals zu erkundigen, ob denn wirklich alles in Ordnung wäre, gefolgt von weiteren Entschuldigungen. Zum Schluss kam dann auch noch die Ober-Flugbegleiterin und entschuldigte sich wieder gestenreich bei der sich Passagierin, die sich zusehends schon unwohl zu fühlen schien, und beteuerte, dass die Wasserspritzer für sie kein Problem seien.
Die Einreise nach Japan
Aber weiter im Protokoll. Im Flugzeug bekommst du zwei Formulare, eines für das Einreisevisum und eines für den Zoll. Du verfolgst die Kartenanzeige, wo du siehst, wo sich das Flugzeug aktuell gerade befindet und wie lange es noch dauert. Bist du angekommen, wirst du gleich mal Bekanntschaft mit japanischen Toiletten machen. Dann geht’s ans Kofferwarten und danach ab zur Einreise.
Narita VS Haneda
In Narita dauert das Prozedere leider meist ziemlich lange – so viele Leute wollen genau wie du ihren Urlaub usw. in Japan verbringen. Hast du das Glück und du hast ein Re-Entry-Permit (ein Visum, mit dem du öfter als einmal in Japan einreisen darfst, dann darfst du in die Re-Entry-Permit-Warteschlange, die erfahrungsgemäß sehr kurz ist) oder du bist mit kleinem Kind unterwegs (dann wirst du zu einer Abkürzung vorgewunken), wirst du schneller drankommen. In Haneda ist das Prozedere schneller, da weniger Ankömmlinge. Die Einreise beinhaltet ein Foto sowie Fingerabdrücke deiner Zeigefinger. Und dann bist du endlich wirklich da. Die Reise vom Flughafen zu deinem Hotel/Übernachtungsmöglichkeit kannst du mit Airport-Limousine, Taxi und diversen Zügen bewältigen.
Am einfachsten ist, du googlest den entsprechenden Flughafen und siehst dir die Möglichkeiten inkl. Zeiten und Preisen an. Eine SIM-Karte für Telefonie und/oder Internet kannst du dir ohne vorherige Reservierung am Flughafen für 1 oder 2 Wochen ausborgen. Hier die Links für Narita und Haneda.
Im Hotel
Hotelangestellte glänzen leider nicht immer mit ihren Englischkenntnissen, jedoch gibt es in modernen Hotels seit neuestem ein Check-in-System, wo du an einem Automaten deine Reservierungsnummer eingibst, oder einen QR-Code einscannen lässt, die Rechnung bezahlst und dann spuckt die Maschine die Schlüsselkarte aus. Beim Auschecken steckst du die Karte dann einfach wieder in den dafür vorgesehenen Schlitz, fertig. Die Reinigungskräfte vom Hotel werden dich auch jeden Fall freundlich und höflich begrüßen, wenn du sie antriffst.
Die Betten, auch Queensize, sind nicht ganz so groß wie bei uns. Eventuell magst du auch die Tatami-Variante ausprobieren (da schläfst du auf Tatamimatten mit Futon, einer japanischen dünnen Matratzenvariante, die zusammengelegt werden kann).
Das Bad wiederum ist in günstigen Unterkünften ein Plastikwürfel, der in das Zimmer eingesetzt ist. Dort findest du eine Badewanne, Toilette und ein Waschbecken. Die Toilettenartikel-Ausstattung kann sich in jedem Hotel sehen lassen. Duschhaube, Ohrstäbchen, Zahnbürste samt Zahnpasta, Haarbürste, Duschgel, Shampoo und Conditioner zählen zum Standardprogramm. Im Hotel in der Nähe vom Skytree gab es noch Gesichtswasser, Gesichtsmilch, Gesichtscreme, Badesalz und Mundwasser. Die Übervariante haben meist noch Lovehotels. In Ryokans (traditionelles japanisches Hotel) gibt es dann noch Yukatas (Sommerkimono).
Überwiegend positiver Kulturschock Japan – die Öffis
Wenn du in den öffentlichen Verkehrsmitteln sitzt, wirst du feststellen, dass es sehr ruhig ist. Telefonieren ist untersagt – darauf wirst du freundlich, aber bestimmt, alle paar Minuten auf Japanisch und Englisch hingewiesen. „In the train, please set your phone to silent mode and refrain from talking on the phone“ 車内ではマナーモードに設定の上、通話はご遠慮ください。Aussprache: shanai dewa mana moodo ni settei no ue, tsuuwa wa go enryo kudasai.
Weiters soll man sein Handy in der Nähe von Sitzplätzen für körperlich benachteiligte Personen ganz ausschalten, wenn der Zug überfüllt ist (was besonders morgens und abends passiert). Und genau so wie bei uns wird man darauf hingewiesen, seinen Sitzplatz bedürftigeren Personen zu überlassen. 体の不自由な方や乳幼児をお連れの方に席をお譲りください。Aussprache: Karada no fujiyuuna kata ya nyuuyouji o otsure no kata ni seki o oyuzuri kudasai (wortwörtlich: körperlich beschränkte Personen sowie Personen mit kleinen Kindern bitte den Sitzplatz überlassen).
Dafür sitzen die Japaner versunken in ihre Smartphones (die meisten sind Klapphandys), schlafen (im Sitzen und im Stehen) oder lesen Mangas. Manche Damen sind auch mit intensivem Schminken beschäftigt, inkl. Nagellack auftragen (habe ich persönlich erlebt). Ansonsten sind die Züge und U-Bahnen mit Werbeplakaten vollgeklebt und auf den Bildschirmen läuft Werbung – besonders beliebt sind Bier- und Sprachschulenwerbung. Auch von Nintendo (in Zusammenarbeit mir Berlitz) läuft ein wöchentlich wechselnder Spot, der Wissenswertes über Japan zeigt.
Zugverspätungen
Eventuell wird es dir im ganz seltenen Fall passieren, dass ein Zug länger verspätet ist (normale Verspätungen befinden sich im Sekundenbereich), Grund: jemand hat sich aus selbstzerstörerischen Tendenzen auf die Gleise geworfen. Bei uns nennt sich das Fahrgasterkrankung, in Japan hört/liest man: 人身事故 – dschinschindschiko – Unfall mit Personenschaden, Kollateralschaden. Da Zuspätkommen in Japan ein Frevel ist (pünktlich sein ist schon zu spät), bekommt man eine Verspätungsbestätigung für die Arbeit ausgehändigt auf der steht, wie viele Minuten Verspätung die aktuellen Züge haben.
Es ist übrigens so, dass die Familie des Selbstmörders für den entstandenen Schaden aufkommen muss – dies schreckt angeblich doch so manchen Täter ab. Grund: man will nicht, dass jemand anderer den Schaden durch den eigenen Freitod hat (wobei es auch Leute geben soll, die extra zu den Stoßzeiten springen, damit ja viele „etwas davon haben“). Weiters helfen auch vermehrt mannshohe Zäune/Wände/Absperrungen, dass keiner auf die Gleise springen kann.
Die Arbeitsmoral
Egal, welchen Job ein Japaner ausübt, er macht ihn mit Stolz und Inbrunst. Das kann auch das Abwischen von Handläufen sein. Oder das morgendliche Verbeugen und „Guten Morgen“ おはようございます (ohayoo gozaimas) Rufen an die morgendlichen Passagiere.
Auf Baustellen wirst du immer Leute vorfinden, die nicht direkt an der Baustelle arbeiten, sondern dir den Weg anzeigen, wie du sicher an der Baustelle vorbeikommst. Statt wie in Österreich 2 oder 3 Arbeiter, sind in Japan 5 oder 6 Leute vor Ort.
Ich sah vor einiger Zeit eine Doku über Leute, die an der Armutsgrenze leben. Auch wenn sie nicht 100 %ig mit der Arbeit happy waren, so sah man ihnen an, dass sie trotzdem 100 % gaben. Die Arbeitslosigkeit in Japan ist im Vergleich zur restlichen Welt sehr niedrig – ca. 3 % beträgt sie aktuell (2017). Früher – vor der Bubble in den 80er Jahren – war sie sogar nur 1-2 %. Wie aussagekräftig und wahr ist, ist wieder eine andere Geschichte (viele Frauen melden sich nach Arbeitsplatzverlust nicht arbeitslos und die japanische Definition von Arbeitslosigkeit ist sehr eng definiert – und ist daher nicht so einfach mit unseren Zahlen in der EU zu vergleichen.
Arbeitslos zu sein ist eine Schande – dies steht für Faulheit – und Faulheit ist ein absolutes No-Go in Japan. Weiters gibt es in Japan zwar Arbeitslosengeld, aber nur für eine geringe Zeit von 3 bis max 10 Monaten. Arbeitslose verlassen genau so wie sonst die Wohnung, um sich dann auf Arbeitssuche zu begeben – manche verschweigen es auch der Familie, um den Angehörigen keine Sorgen zu machen.
Arbeitsmoral = Serviceniveau?
Ist das also auch der Grund, warum in Japan der Kundenservice als einer der besten, wenn nicht sogar DER beste der Welt ist? Das mag zum Teil natürlich so sein. Aber Japaner kommen genau so wie wir als Menschen mit Stimmungsschwankungen und schlechten Tagen auf die Welt. Nur: die Japaner können/müssen das gut verstecken (Gefühle/sein wahres Ich zu zeigen gilt in Japan als störend) UND: es wird ihnen antrainiert. Besonders, wenn sie im Servicebereich arbeiten bzw. viel Kundenkontakt haben. Da gibt es mal die 2wöchige Basisausbildung, die für alle gleich ist. Sie umschließt das richtige Verbeugen, Visitenkartenübergeben und die Basis-Höflichkeitssprache. Darüber hinaus gibt es regelmäßiges Spezialtraining, um den Service-Standard hoch zu halten. Mehr zum japanischen Arbeitsleben hier und hier.
Zu den ebenfalls sehr wichtigen Themen Essen und Kleidung gibt es bald einen extra Artikel.
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